«Ich bin stolz auf den Weg, den Elif gegangen ist»

Elif Oskan ist Chefköchin und Mitinhaberin des bekannten Restaurants Gül in Zürich. Ihre Leidenschaft fürs Kochen hat sie bereits früh entdeckt und sich deshalb für eine Berufslehre als Köchin entschieden. Wir haben mit ihr über ihre Berufswahl sowie den damit verbundenen Hürden und Erfolgen gesprochen. Mit dabei war Elifs Vater Ali Oskan, von allen liebevoll «Baba» genannt. Er hat seine Tochter auf ihrem Weg stets begleitet und unterstützt.

Elif, du führst mit dem Gül ein beliebtes Lokal in Zürich. Wolltest du schon immer Köchin werden?

Elif: Ich wollte schon immer etwas Kreatives machen, etwas bei dem ich meine Hände brauchen kann. So entstand mein Berufswunsch schon früh. Nachdem ich dann zwei Schnupperlehren absolviert hatte, war für mich klar: Ich werde Köchin.

Hattest du Zweifel bei deiner Berufswahl?

Elif: Nachdem ich meine berufliche Grundbildung erfolgreich abgeschlossen hatte, fand ich die Arbeit sehr anstrengend. Ab und an hatte ich Zweifel, ob ich den richtigen Beruf für mich gewählt hatte. Um Klarheit zu schaffen, erstellte ich schliesslich eine Pro-Kontra-Liste. Dabei überwogen die positiven Aspekte ganz klar. Ich realisierte, dass gewisse Zweifel völlig normal sind. Hatte aber auch die Gewissheit, einen Beruf gewählt zu haben, der meinem Wesen und meinem Naturell entspricht.

Was war der oberste Punkt auf deiner Pro-Liste?

Elif: Das Zwischenmenschliche. Als Köchin arbeite ich nicht allein. Ich bin in einem sozialen Umfeld eingebettet und erbringe zusammen mit meinen Mitarbeitenden eine Team-Leistung. Und am Abend, wenn wir unseren Gästen die Gerichte servieren, erhalten wir ein unmittelbares Feedback. Dieser direkte Kontakt zu Gästen und Mitarbeitenden ist für mich nach wie vor das Tollste an meinem Beruf.

Baba, was hast du gedacht, als du das erste Mal von Elifs Plänen gehört hast?

Baba: Ich war erstaunt. Mit ihren guten Schulnoten und ihren vielfältigen Interessen wäre ihr jeder andere Weg auch offen gestanden. Zudem hatte ich Bedenken, dass Elif in einer Sackgasse landen würde. Zum Zeitpunkt von Elifs Berufswahl war mir nicht bewusst, welche vielfältigen Karrieremöglichkeiten die Berufsbildung Jugendlichen bietet.

Wie bist Du mit diesen Zweifeln umgegangen?

Baba: Ich habe meine eigenen Berufsvorstellungen, die ich für Elif hatte, in den Hintergrund gestellt. Für mich war es wichtig, Elif frei entscheiden zu lassen, was sie wirklich möchte. Dieser Ansatz hat sich im Nachhinein als absolut richtig erwiesen. Heute ist meine Tochter beruflich erfolgreich und glücklich mit dem, was sie macht.

Wie haben dich, Elif, deine Eltern in der Berufswahl beeinflusst?

Elif: Sie haben mich und meine Geschwister mit der Art der Erziehung und unserer Alltagskultur natürlich unterbewusst stark geprägt. Meine Mutter hat schon immer sehr viel und sehr gut gekocht. Sie hat aus den einfachsten Zutaten die feinsten Gerichte kreiert. Gemeinsam in der Küche zu stehen und etwas zuzubereiten war ein sehr wichtiger Bestandteil unseres Familienlebens. Wenn ich so zurückdenke, ist meine Berufswahl keine grosse Überraschung.

Dein Vater war über deinen Berufswunsch anfangs nicht so begeistert. Wie war das für dich?

Elif: Im ersten Moment war ich verunsichert. Da ich mich aber in einer Lebensphase befand, in der man sowieso rebelliert und ich zudem die Sturheit meines Vaters geerbt habe (beide lachen), bin ich bei meinem Entschluss geblieben. Meinen eigenen Interessen bezüglich Berufswahl Raum zu geben, diese auszudrücken und weiter zu verfolgen hat sich für mich richtig angefühlt. Meine Entschlossenheit und Begeisterung haben schliesslich auch Baba überzeugt (lacht).

Und das hat sich auch gelohnt, denn das Gül ist heute ein toller Gastronomiebetrieb. Baba, wann hast du gemerkt, dass Elif den richtigen Weg gegangen ist?

Baba: Anfänglich hatte ich bezüglich der Berufswahl meiner Tochter eigene Vorstellungen davon, was der «beste» Weg für sie ist. Im Verlauf des Prozesses ist mir aber klargeworden, dass Elif ihre Wahl frei und selbständig treffen muss. Während der Lehrzeit habe ich sie deshalb bei allem unterstützt. So bin ich beispielsweise jeden Morgen aufgestanden und habe sie zur Arbeit gefahren. Ich denke, Elifs heutiger Erfolg hat insbesondere damit zu tun, dass sie ihren eigenen Neigungen und Wünschen gefolgt ist. Und ich bin unglaublich stolz auf sie.

Elif, wenn du heute mit der dreizehnjährigen Elif sprechen könntest, was würdest du ihr mitgeben, wenn sie sich mit der eigenen Berufswahl auseinandersetzt?

Elif: Ich würde ihr empfehlen, sich bei der Suche nach einem passenden Beruf oder einer Lehrstelle selber ein Bild von der Arbeitswelt zu machen. Um spannende Einblicke in die Berufswelt zu erhalten, gibt es viele Möglichkeiten. Dazu gehören Informationsanlässe in Unternehmen, der Besuch von Berufsmessen oder auch Schnupperlehren. Wenn man sich gut informiert und anschliessend seinen eigenen Weg geht, erledigen sich gewisse Dinge ganz von alleine.

Und ihren Eltern?

Elif: Einfach cool bleiben (lacht).  Denn die Bedenken, dass die Berufslehre ihr Kind in eine Sackgasse führen könnte, ist absolut unbegründet. Nach erfolgreichem Lehrabschluss kann man auf unterschiedlichste Art Karriere machen. Beispielsweise dank einer höheren Berufsbildung, einer Hochschulbildung oder wie in meinem Fall durch die Gründung eines eigenen Unternehmens.

Und du, Baba, was würdest du der dreizehnjährigen Elif sagen?

Baba: Was auch immer ihr gefällt, was auch immer sie tun möchte, das soll sie machen.